Stufenkonzept bei Kniearthrose: Erfolg durch stadiengerechte Behandlung

Häufiger noch als unsere Hüftgelenke sind die Kniegelenke von Arthrose betroffen: Inzwischen werden in Deutschland jährlich gut 150.000 Knieprothesen eingesetzt, Tendenz steigend. Natürlich muss aber nicht bei jedem Patienten mit Kniearthrose gleich an eine Prothese gedacht werden: Mit einem sogenannten Stufenkonzept, welches stadiengerecht auf die Beschwerden des Patienten abgestimmt ist, kann Betroffenen ihre Lebensqualität für viele Jahre erhalten werden, betont Dr. Markus Bachmeier aus München.

Herr Dr. Bachmeier, wie macht sich eine Kniearthrose bemerkbar?

Die symptomfreie Phase dauert zunächst relativ lang an, was ja nicht in jeder Hinsicht positiv ist. Wir wundern uns immer wieder, wieviele Patienten mit im Röntgenbild deutlich sichtbaren Abnutzungserscheinungen noch kaum über Probleme klagen. Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich auch solche, die mit röntgenologisch nicht nachweisbaren Veränderungen über starke Schmerzen klagen.

Was können Sie für einen Patienten tun, der schon deutliche Beschwerden, aber noch keine starke Knorpelabnutzung hat?

Die erste Stufe unseres Arthrosekonzepts sieht vor, die Beweglichkeit des Gelenks und damit die Ernährung des Knorpels zu verbessern. So können beispielsweise spezielle konzentrierte Wachstumsfaktoren (ACP) gespritzt werden, die aus Eigenblut gewonnen werden. Sie wirken biologisch regenerativ und dabei entzündungs hemmend wie Cortison, besitzen aber praktisch keine Nebenwirkungen. Bei stärkerer Abnutzung kann eine hochvernetzte Hyaluronsäure zum Einsatz kommen, welche ins Gelenk injiziert wird und dort die Gleiteigenschaften der Knorpeloberfläche verbessert. Moderne Hyaluronsäurepräparate zeichnen sich durch eine lange Verweildauer im Gelenk aus, sodass sie für Monate bis Jahre eine starke Linderung bringen.

Was ist, wenn bereits deutliche Knorpelschäden bestehen?

Umrissene Knorpelschäden, wie sie etwa durch einen Sportunfall hervorgerufen werden, kann man heute richtiggehend „reparieren“. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann durch Anfrischen des Knorpelschadens mit einer Fräse oder einer sogenannten Pridie-Bohrung versucht werden, die Bildung von Ersatzknorpel anzuregen. Darüber hinaus ist es auch möglich, den ursprünglichen Knorpel zu ersetzen. Hierzu werden dem Patienten in einem arthroskopischen Eingriff Knorpelzellen entnommen, außerhalb des Körpers angezüchtet und dann wieder in den Defekt zurückverpflanzt. Mittlerweile sind die Ergebnisse sehr gut – wir können so Defekte bis zu einer Größe von etwa 12 cm 2 versorgen. Je nach Größe und Art des Knorpelschadens dauert es jedoch bis zu einem Jahr, bis die volle Sportfähigkeit wiederhergestellt ist.

Warum sind X- oder O-Beine häufig die Ursache für eine Arthrose, und was kann man dagegen tun?

Eine Kniearthrose wird durch mehrere Faktoren begünstigt, besonders aber durch eine Achsfehlstellung der Beine, da es dadurch zu einem einseitigen Abrieb des Knorpels auf der am stärksten belasteten Seite des Gelenks kommt. Dies ist bei O-Beinen die die Innenseite, bei X-Beinen die Außenseite der Knorpeloberfläche. Die Belastung kann so stark sein, dass man an der betroffenen Stelle praktisch keinen Gelenkspalt mehr erkennen kann. Ist das der Fall, so kann man versuchen, durch eine operative Achskorrektur – eine sogenannte Umstellungsosteotomie – die Fehlstellung zu korrigieren. Meist wird dazu knapp unterhalb des Kniegelenks ein Knochenschnitt entweder an der Innen- oder der Außenseite vorgenommen und dann ein Knochenkeil entnommen oder der Spalt aufgeklappt, je nachdem, ob es sich um eine X- oder O-Stellung handelt. Der entstandene Osteotomiespalt wird dann verfüllt und der neue Achsverlauf mittels Schrauben und Platten fixiert. Das klingt aufwendig, ist aber heute ein sehr gut beherrschter Standardeingriff, der unseren Patienten oft viele Jahre der Beschwerdefreiheit schenken kann, ohne dass der Einsatz einer Knieprothese notwendig wird. Übrigens können wir den zu erwartenden Erfolg einer Umstellungsosteotomie durch den kurzzeitigen Einsatz einer valgisierenden oder varisierenden Orthese sogar simulieren: Lassen die Schmerzen nach, so ist auch nach Eingriff eine wesentliche Schmerzreduktion zu erwarten. Wenn das aber nicht mehr zielführend erscheint, gibt es auch die Möglichkeit einer Teilprothese.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Wenn alle konservativen Behandlungsmaßnahmen aus geschöpft sind, die einseitigen Knieschmerzen aber nicht mehr in den Griff zu bekommen sind, kann eine so genannte Schlittenprothese eingesetzt werden, bei der nur die verschlissene Lauffläche ersetzt wird. Der Vorteil bei dieser Vorgehensweise ist, dass die Anatomie des Gelenks ansonsten nahezu vollständig erhalten bleibt – das betrifft vor allem den Bandapparat, der das Knie führt und stabilisiert. Wir verwenden dazu unter anderem die Conformis-Individualprothese iUni, welche für jeden Patienten individuell geplant und gefertigt und dem Knochen des Patienten angepasst wird. Dazu muss zunächst ein CT des Knies gemacht werden, aus welchem dann ein virtuelles 3D-Modell des Knies errechnet werden kann. Dieses dient als Vorlage für einen millimeter-genau gefertigten Gelenkersatz, der wie eine Krone beim Zahnarzt die verschlissene Gelenkoberfläche ersetzt. Diese Individualendoprothese gibt es übrigens auch für die Fälle, bei denen beide Laufflächen des Knies verschlissen sind. Genau wie die iUni-Schlittenprothese wird das iTotal-Knie exakt den Gegebenheiten angepasst. Das spart nicht nur wertvolle Knochenmasse, sondern bringt auch handfeste Vorteile bezüglich der Verankerung der Prothese mit sich – die Implantate stützen sich durch die optimale Passform nämlich auf dem äußeren, harten Rand des Knochens ab, und nicht nur auf der wesentlich weicheren Spongiosa. Man geht davon aus, dass es so weniger häufig zu Implantatlockerungen durch einsinkende Prothesen kommt.

Eine Besonderheit ist der Schmerz hinter der Kniescheibe, der mit herkömmlichen Prothesen oft nicht ausgeschaltet werden kann.

Auch hier können wir heute unseren Patienten sehr gut helfen. Besonders nach Unfällen oder Stürzen entwickelt sich über Jahre hinweg schleichend ein Knorpelschaden hinter der Kniescheibe, die sogenannte Retropatel-lararthrose. Dann ist es nötig, die Rückseite der Kniescheibe mit einer neuen Gleitfläche auszustatten, damit die bei jeder Bewegung auftretenden Schmerzen beseitigt werden können. Eine dieser PFG-Prothesen ist das von uns verwendete Hemicap-Wave-System, welches mit einer besonderen Inlaytechnik arbeitet, die kongruent zur Knorpeloberfläche ist. So kommt es zu einer sehr geringen Reibung und einer besonders spannungs-freien Führung der Kniescheibe.

Wie lange ist man mit einer Knieprothese versorgt, und wie aktiv kann man damit noch sein, ohne der Lebensdauer des Gelenks zu schaden?

Die modernen Knieprothesen haben heute eine Lebensdauer, die nicht wesentlich hinter der von Hüftprothesen zurücksteht. Wichtig ist aber natürlich, dass man wieder sportlich aktiv sein kann und soll, um beweglich und fit zu bleiben. Bei gut funktionierender Prothese kann der Patient seinen Sport weiter betreiben; er muss aber wissen, dass regelmäßige Überlastung zu erhöhtem Verschleiß führen kann. Auch sollte das Verletzungsrisiko gering gehalten werden.

Herr Dr. Bachmeier, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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